Häufige Ursachen von Doppelzahlungen

Keine Organisation ist völlig frei von menschlichen Fehlern, Systemlücken oder Inkonsistenzen in Datenbeständen. Das Problem ist, dass diese Umstände unweigerlich zu Doppelzahlungen und andere Überzahlungen führen, die Ihr Unternehmen sofort Geld kosten. Außerdem werden diese unserer Erfahrung nach nur in manchen Fällen im Nachhinein erkannt und korrigiert.

In diesem Artikel stellen wir Ihnen fünf der häufigsten Ursachen für solche Fehler vor. Übrigens: Wenn Sie wissen möchten, wie Sie Überzahlungen vermeiden können, könnte unser Artikel „Fünf Möglichkeiten, um Doppelzahlungen zu vermeiden“ für Sie interessant sein. Mit der Erfahrung aus über 900 Projekten, haben wir die wichtigsten Ursachen und Risiken für die Entstehung von Doppelzahlungen und Überzahlungen in fünf großen Gruppen zusammengefasst:

1. System-Risiken
2. Lieferanten-Risiken
3. Menschliche Fehler
4. Prozess-Risiken
5. Wachstums-Risiken

1. System-Risiken

System- Risiken umfassen alle Risiken, die sich auf die eingesetzten Systeme zu Erfassung von Bestellungen und Eingangsrechnungen (z.B. OCR-Software und diverse Tools zur Abbildung des P2P- Prozesses wie Smart Invoice, tangro etc.) sowie die Verarbeitung und Buchung dieser Vorgänge (SAP, Microsoft Dynamics und Navision, etc.) und die Auslösung der Zahlungen (Banking-Tools, Schnittstellen aus SAP heraus, etc.) beziehen:

Fehlerhafte OCR-Erkennung: Automatisierte Texterkennung führt z.B. zu Lesefehlern bei schlecht leserlichen Dokumenten („O“ vs. „Null“) oder vom üblichen Muster abweichenden Layouts (Auftragsnummer wird als Rechnungsnummer erfasst). Insbesondere bei nachfolgend wenigen Kontrollen und Dunkel-Buchungen bleiben solche Fehler oft unbemerkt und führen zu Falschzahlungen (Buchung auf falschen Kreditor), Doppelzahlungen (zweimal gleiche Rechnung in unterschiedlicher Form erfasst, weil 1x Lesefehler und 1x korrekt erfasst wurde).

Kreditorenduplikate in Stammdaten: Diese bedeutende Fehlerursache existiert unserer Erfahrung nach in ausnahmslos jeder größeren Organisation: ein- und derselbe Lieferant wird mehrfach als Kreditor angelegt und eventuell nur die Schreibweise weicht voneinander ab. Dieser Umstand führt aber nicht nur zu weniger Transparenz bei Auswertungen wie ABC- Analysen, sondern ist auch eine häufige Fehlerursache für Doppelzahlungen (1x auf einem Kreditor, 1x auf dessen Duplikat gebucht – dadurch Doppelzahlungskontrolle ausgehebelt). Zu allem Überfluss ist diese Fehlerart auch eine regelmäßig genutzt Möglichkeit, um Veruntreuungen aus dem Unternehmen zu verschleiern (Scheinrechnungen an lange ungenutztes Kreditorenduplikat, da Unternehmen mit bekanntem Namen aber geänderter Bankverbindung).

Sammelkreditoren: Sammelkonten oder CpD-Kreditoren werden von vielen Unternehmen zur Aufwandsminimierung verwendet, erfordern aber weniger Kontrollschritte von der Buchung einer Rechnung bis zu deren Bezahlung. Außerdem können Überschneidungen zwischen Sammelkreditoren und einzeln angelegten Kreditoren zu einfachen Doppelzahlungen führen.

Fragmentierte Systeme und Systemlücken: Dies führt zu einer isolierten Datenverarbeitung zwischen einzelnen Unternehmensteilen und zu Schwierigkeiten beim Austausch von Daten und Prozessen. Schnittstellen zwischen Systemen bedeuten immer Komplexität und die Möglichkeit für Fehler bei deren Überwindung. Gleichzeitig sind eigene Analysen auf Fehler i.d.R. nur innerhalb eines Systems möglich und nicht übergeordnet über mehrere System (z.B. mehrere parallele SAP-Systeme, mehrere Buchungskreise im gleichen System, ein SAP- System und ein vorgelagertes System zur Belegerfassung, ein Microsoft-System zur Rechnungserfassung ein separates Warenwirtschaftssystem). Dadurch bleiben Fehler unentdeckt, die bei einem einzelnen, durchgängigen System erkannt worden wären.

Systemwechsel und Migrationen: Der Wechsel von einem System zu einem anderen, wie dem Wechsel auf S/4 Hana führt fast immer zu Reibungsverlusten wie der Verdoppelung einzelner Datensätze, Anwendungsfehlern in der Startphase des neuen Systems, Überlappungsfehlern durch Erfassung im alten und im neuen System, erhöhte Quoten an menschlichen Fehlern durch zusätzliche Arbeitsbelastung beim Systemwechsel zusätzlich zum üblichen „Tagesgeschäft“, mehr Fehlern durch Lieferanten die den neuen Prozess noch nicht befolgen etc.

2. Lieferanten-Risiken

Probleme auf der Seite der Lieferanten sind eine weitere häufige Ursache für Überzahlungen:


Mehrfache Zusendung von Rechnungen und Rechnungskopien, Mahnungen und Skontorückforderungen: Mehrfache Dokumente zu ein und derselben Leistung sowie unberechtigte Skontoforderungen erhöhen das Risiko von Überzahlungen durch die mehrfache Erfassung mit unterschiedlichen Buchungsmerkmalen (dadurch Umgehung der Doppelzahlungs-Kontrolle).

Unsaubere oder missverständliche Rechnungs-Layouts, z.B. bei wesentlichen Rechnungsmerkmalen (Rechnungsnummer, Leistungsgegenstand und -zeitraum) oder beim Ausweis von Steuerbestandteilen (z.B. Einfuhrumsatzsteuer) können zu Verwirrung und Fehlern durch Falscherfassungen führen.

Fehlender Umsatzsteuer-Ausweis des Lieferanten: Dies kann zu finanziellen Nachteilen und rechtlichen Problemen führen.

Fehlende oder verweigerte Lieferantengutschriften: Lieferanten, die fällige Gutschriften nicht ausstellen, führen zu Überzahlungen und fehlenden Erträgen.

Falsche oder unvollständige Rechnungsdaten des Lieferanten: Fehlerhafte Rechnungen erfordern oft manuelle Korrekturen und die gemachten Falschangaben können leicht übersehen werden.

Missbrauch bei der Rechnungserstellung durch Lieferanten: Unrechtmäßige oder Scheinrechnungen können zu unerkannten Zahlungsabflüssen aus dem Unternehmen und Vermögensschäden führen.

Uneinheitliche Nummerierung von Rechnungen und Gutschriften: Verwirrende oder nicht standardisierte Rechnungsnummern wie teilweise hinzugefügte Rechnungsnummern-Präfixe können das Risiko einer mehrfachen Erfassung von Rechnungen erheblich erhöhen und damit zu Doppelzahlungen führen.

3. Menschliche Fehler

Menschliche Fehler – sowohl auf Seiten des Rechnungsempfängers als auch auf Seiten des
Rechnungsausstellers – spielen eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Überzahlungen.
Gleichzeitig kann diese Fehlerursache nie gänzlich vermieden werden:

Manuelle Erfassungsfehler: Fehler bei der manuellen Eingabe und Übertragung von Rechnungsdaten sind häufig (z.B. echte/unechte Zahlendreher, Falscheingaben, fehlende Stellen, verschobene Nachkommastellen).

Mehrfache Freigaben durch Fachbereiche: Wiederholte Freigaben derselben Rechnung oder der gleichen Bestellung führen zu Doppelzahlungen.

Vertretungen und einzuarbeitende MitarbeiterInnen: Aushilfen, Leihpersonal und unzureichend eingearbeitete MitarbeiterInnen erzeugen in der Regel höhere Fehlerquoten als Stammpersonal.

Unzureichende Kontrolle von Grau- und Dunkelbuchungen: Fehlende Überwachung teilweise automatisierten Buchungen reduziert zwar den Aufwand, erhöht aber auch das Risiko für Fehler und Überzahlungen.

Mehrfache Anlage von Kreditorenkonten: Nach einer unzureichenden Suche nach dem bereits existierenden Kreditorenkonto wird ein weiteres Konto für einen bestehenden Lieferanten angelegt. Doppelte Konten führen zu Intransparenz und weiteren Fehlern.

Erfassung von Mahnungen und Rechnungskopien: Versehentliche Buchung von alternativen Dokumenten oder die bewusste Inkaufnahme dieser Praxis zur Aufwandsvermeidung führen zu möglichen steuerrechtlichen Problemen und erhöhen das Risiko für mehrfach erfasste Dokumente zur gleichen Leistung.

Zu großes Vertrauen in die Kontrollen der Software: Ein blindes Vertrauen in automatisierte Kontrollschritte der Systeme ohne ausreichendes eigenes Hinterfragen blendet Systemlücken, Sondervorgänge, Umgehen der Standardprozesse etc. aus und kann sogar zu einem Rebound-Effekt nach Systemumstellungen führen: Einer Erhöhung der Fehlerquote obwohl eigentlich zusätzliche systemische Kontrollschritte etabliert wurden.

Mangelnde Kommunikation: Unzureichender Informationsfluss zwischen Abteilungen wie Einkauf, Kreditorenbuchhaltung / Rechnungsprüfung und bestellenden bzw. freigebenden Fachbereichen führt zu Fehlern, Doppelzahlungen und Überzahlungen.

4. Prozess-Risiken

Risiken die aus den zu Grunde liegenden internen Geschäftsprozessen sowie organisatorischen Veränderungen entstehen, können ebenfalls zu Überzahlungen führen:

Interne Umstrukturierungen: Veränderungen in der Unternehmensstruktur wie Eingliederungen, Ausgründungen, Verlagerungen und Out-Sourcing können zu Übergangsproblemen führen und durch die gesteigerte Komplexität und fehlendes bzw. unzureichend geschultes Personal zu erheblichen Peaks bei den Fehlerquoten führen.

Personalfluktuation: Erhöhte Wechselquoten der Mitarbeiter in Schlüsselbereichen führt zu Wissensverlust, zeitweisen Personalengpässen, einer oftmals zu hohen Quote an nicht hinreichend geschulten MitarbeiterInnen und insofern zu höheren Fehlerquoten.

Isolierte Funktionen und Fachbereiche: Abteilungen, und Geschäftsbereiche die isoliert arbeiten und unzureichend kommunizieren, erhöhen das Risiko von Fehlern und Überzahlungen, da jeder Zahlvorgang üblicherweise mehrere Fachbereiche entlang des P2P-Prozesses betrifft.

Erhöhte Fehlerquoten in Übergangsphasen: Änderungen in Prozessen (z.B. Wechsel auf (neuen) Shared Service Center) führen oft zu zeitweise erhöhten Fehlerquoten und somit zu zusätzlichen Falschzahlungen, Doppelzahlungen und anderen Überzahlungen.

Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes in Ausnahmesituationen: Situationen wie Pandemien und damit verbundene Umstellungen und Anpassungen der Arbeitsbedingungen können die Genauigkeit von Prozessen erheblich beeinträchtigen. Während der ersten beiden Jahre der COVID19-Pandemie (2020-2021) erhöhte sich z.B. in Deutschland die Zahl an festgestellten Überzahlungen um +63% im Vergleich zum Jahr 2019.

5. Wachstums-Risiken

Das schnelle Wachstum eines Unternehmens bringt eigene Herausforderungen und Risiken mit sich, denn oft können die Geschäftsprozesse nicht hinreichend schnell mitwachsen:

Erhöhte Komplexität der Lieferketten: Mehr und individuelle neue Lieferanten sowie komplexere Lieferketten oder Lieferanten aus anderen Ländern (z.B. andere Vorschriften zur Erstellung von Rechnungen) erhöhen das Risiko für viele Fehlerarten, auch für das Entstehen von Doppelzahlungen.

Integration neuer Unternehmensteile: Die Eingliederung neuer Firmen kann zu Fehlern und Inkonsistenzen führen, da alte Systeme, Vorgehensweisen und Prozesse in Übergangsphasen noch aufrechterhalten werden und parallel laufen, damit aber zusätzliche Probleme verursachen.

Zu schnelles Wachstum: Hohes Wachstum in kurzer Zeit führt fast immer dazu, dass die Prozess des Unternehmens nicht eben so schnell mitwachsen. Oft wird zu spät reagiert mit Personalanpassungen, Einkauf benötigter neuer Expertise oder der Erweiterung von Systemen. All diese nötigen Anpassungen haben zusätzlich noch Warte-, Liefer- und Einarbeitungszeiten, bis sie zu einer Verbesserung und Kapazitätserhöhung beitragen können und vergrößern das Problem somit noch weiter.

Höhere Anzahl von Rechnungen: Ein Anstieg des Rechnungsvolumens erhöht das Risiko von Fehlern oft nicht linear, sondern überproportional. Gründe sind Schwellenwerte, ab denen oft aus Überforderung Maßnahmen zur Aufwandsminimierung ergriffen werden. Diese erhöhen ggf. sogar die Effizienz des Prozesses, führen aber bei genauem Hinsehen auch zu einem Anstieg der Fehlerquoten.

Hoher Zeitdruck: Bei einer fehlenden Anpassung von Personalressourcen führt Wachstum unweigerlich zu Zeitdruck und damit oft ungenaueren Überprüfungen letztlich auch Fehlern wie Doppelzahlungen.

Unbekannte Regelungen zum Vorsteuerabzug im Ausland: Das Wachstum hinein in vorher wenig bekannte internationale Märkte geht mit neuen steuerrechtlichen Anforderungen einher. Regelmäßig kommt es dabei zu Verlusten aus (anfänglicher) Unkenntnis um steuerrechtliche Regelungen in den neuen Märkten – ein Beispiel sind unterlassene Nutzung von Steuervorteilen und der Abzug von Vorsteuern bei Leistungen, die im bekannten Markt nicht steuerabzugsfähig sind. Geschäfte bergen das Risiko von Regelungsfehlern.

Fazit:

Die Häufigkeit von ärgerlichen Doppelzahlungen kann durch geeignete Maßnahmen in jeder Organisation reduziert werden. Eine vollständige Vermeidung und Reduzierung auf „Null-Fehler“ ist hingegen nur schwer möglich und oft mit einem überproportional hohen Aufwand verbunden.

Für die meisten Unternehmen ist deshalb eine Kombination aus (1) präventiver Reduktion von Fehlerquellen (siehe oben) und einer (2) nachgelagerten Kontrolle durch externe Experten im regelmäßigen Turnus der effizienteste Ansatz. Dieser stellt sicher, dass wirtschaftliche Verluste durch Überzahlungen minimiert werden und der Accounts-Payable-Prozess störungsfrei und fehlerresistent bleibt. Regelmäßige weitere Optimierungen durch die Umsetzung von Verbesserungspotenzialen und Best-Practices, die ein z.B. alle zwei Jahre durchgeführter Überzahlungs-Check ergibt, führen zudem zu einer langfristig weiter sinkenden Fehlerquote und erhöhen die Resilienz und Stabilität dieses sensiblen Geschäftsprozesses.

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